Walter Moers – Der Bücherdrache
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Zurück nach Buchhaim! Im neuen Roman von Walter Moers, Der Bücherdrache, ist es nicht Hildegunst von Mythenmetz selbst, sondern der gleichnamige Buchling, Hildegunst Zwei genannt, der die Geschichte eines Abenteuers in den Katakomben von Buchhaim erzählt.

Doch wie kommt es überhaupt dazu, dass Hildegunst Zwei und Mythenmetz wieder aufeinander treffen? Buchlinge können schließlich nicht an die Oberfläche kommen, der Sauerstoffgehalt würde sie umbringen.

Dieses Buch wurde mir vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt.
Auf meine Meinung hat das keinen Einfluss.

Damit beide sich begegnen können, beginnt der Roman mit einem kleinen Trick. Die ersten Paar Seiten sind als rätselhafter Comic gestaltet, in dem Mythenmetz in einen Traum eintaucht. Et voilà, schon sind Dichter und Buchling vereint und können miteinander sprechen.

Traum? Tatsächlich passiert? Frei erfunden? Wie immer spricht Moers damit hier die Frage an, was Erzählen und Literatur eigentlich sind.

Ein Buchling in Gefahr

Was Hildegunst Zwei erzählt, ist ein kurzes, unterhaltsames Abenteuer. Im Unterricht lernen die jungen Buchlinge über den Mythos des Bücherdrachen Nathaviel, der im Ormsumpf hausen soll.
Sechs Klassenkameraden, eine Gruppe von Sitzenbleibern, verrät Hildegunst Zwei von ihrem Geheimbund. Die Aufnahmeprüfung? Geh in den Ormsumpf und schnapp‘ dir eine Schuppe des Bücherdrachen. Naiv wie er ist, macht der junge Buchling sich auf den Weg.
Der Ausflug wird zum Abenteuer, denn der sagenumwobene Drache existiert tatsächlich.

Negatives zuerst: Was schade ist, ist dass das Buch etwas kurz geraten ist. An einigen Stellen hatte ich das Gefühl, dass durchaus noch Potential vorhanden gewesen wäre, die Geschichte auf über 200 Seiten auszubauen. Der Weg von Hildegunst Zwei in den Ormsumpf zum Beispiel wirkt sehr stark gerafft.

Ganz großartig dagegen sind viele Dialoge. Das ist Moers in Topform, so wie man ihn von den ersten Zamonien-Romanen kennt: frech und humorvoll, mit Hang zum Grotesken.

Viele alte Griechen und ein Bücherdrache

Zielscheibe des Spotts sind in Der Bücherdrache vor allem die Alten und ihre Weisheiten. Insbesondere die alten Griechen, die die Namensgeber für die sechs Buchlinge der „Klassikerbande“ sind. Warum sie sich genau diese Dichter ausgewählt haben?

Da muss man viel weniger auswendig lernen als bei den meisten Dichtern. Die Sprüche müssen nicht mal gut sein, wie du siehst. Dass so ein Klassiker sie vor Tausenden von Jahren oder so abgelassen hat, heißt ja nicht unbedingt, dass sie auch was taugen. Kapiert? Wir sind unsere Lebenszeit anderen Dingen schuldig.

Walter Moers – Der Bücherdrache

Anagramme: Die „Klassikerbande“
der Buchlinge und ihre griechischen Vorbilder

Hättet ihr sie erkannt?

Estrakos
Arkaneon
Eliastrotes
Eideprius
Steraphasion
Klosophes

Sokrates
Anakreon
Aristoteles
Euridipes
Aristophanes
Sophokles

Die Buchlinge in Walter Moers - Der Bücherdrache

Auch der Bücherdrache selbst ist zumindest teilweise eine Anspielung auf die alten Griechen. Als mysteriöses Ormrakel parodiert er den griechischen Orakelkult. Und genau wie das Apoll-Orakel von Delphi gehören möglichst kryptische Sprüche zu seinen Spezialitäten. Die Leute wollen einfach nur eine Antwort, meint er. Wenn er selbst keine Ahnung hat, reicht also ein kryptischer Spruch, aus dem die Fragenden sich dann selbst ihre Lösung basteln können.

Nie um einen Rat verlegen sein! Nur so gerät man in den Ruf der absoluten Unfehlbarkeit. Frechheit siegt.

Walter Moers – Der Bücherdrache

Und wie oben schon angesprochen, sind wie immer bei Moers auch das Erzählen und die Literatur selbst an vielen Stellen wieder ein Thema, das sich auch über den kurzen Comic hinaus durch den Roman zieht.

Illustriert ist das Buch dieses mal wieder von Walter Moers selbst, nachdem zuletzt zweimal Lydia Rode die Illustrationen machte. Fans seiner Zeichnungen dürfen sich also freuen.

Der Bücherdrache ist zwar kurz, aber dafür sehr unterhaltsam. Das Buch hat Spaß gemacht und macht Lust auf mehr.
Daher ist es gut, dass eine Leseprobe zu Die Insel der 1000 Leuchttürme angehängt ist. Es scheint als wäre der nächste Moers nicht weit entfernt. Nach Jahren der Dürre nimmt die Zamonien-Reihe wieder Fahrt auf.
Ich kann Der Bücherdrache definitiv empfehlen.

Der Autor: Walter Moers

Hildegunst von Mythenmetz (© Walter Moers/Verlagsgruppe Random House GmbH)
Hildegunst von Mythenmetz (© Walter Moers/Verlagsgruppe Random House GmbH)

Walter Moers (*1957) ist einer der erfolgreichsten deutschen Autoren der Gegenwart. Er begann als Comic-Zeichner und ist der Erfinder von Käpt’n Blaubär. Walter Moers tritt seit Jahren nicht öffentlich auf und es gibt keine Bilder von ihm. Auch deshalb wird seine Figur Hildegunst von Mythenmetz mittlerweile oft als „Ersatz“ zu Marketingzwecken benutzt.

1999 veröffentlichte er den ersten Teil seiner Zamonien-Reihe. Seine Bücher sind durch ihre besondere Machart nicht eindeutig einem bestimmten Genre zuordenbar. Das Etikett „Fantasy“ passt nur zum Teil und wäre irreführend. Häufige Bestandteile seiner Werke sind Metafiktion, Intertextualität, Parodie und die Literatur bzw. der Literaturbetrieb.

Website: www.zamonien.de

Verschiedene Titel des Autors (Auswahl):

Daten und Links zum Buch

  • Autor: Walter Moers
  • Titel: Der Bücherdrache
  • Illustrator: Walter Moers
  • Verlag: Penguin
  • Seiten: 192

Cover zu Walter Moers - Der Bücherdrache
Der Buecherdrache von Walter Moers
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