Über die Heldenreise
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Das Schema der Heldenreise hat es gerade im Bereich von Filmen oder Games zu großer Bekanntheit gebracht – weil es einfach gut funktioniert. In Geschichten wie Harry Potter oder Herr der Ringe ist es leicht zu erkennen. Wer sich selbst mit dem Schreiben beschäftigt, der ist wahrscheinlich bereits unvermeidlich über diesen Begriff gestolpert. Ich möchte in diesem Beitrag die wichtigsten Grundlagen dieses faszinierenden Themas vorstellen.

 

Was die Heldenreise ist

Die Heldenreise ist ein Schema, nach dem sich Geschichten analysieren und basteln lassen. Bei der Erforschung alter Mythen aus verschiedenen Kulturen stieß Joseph Campbell auf eine Struktur, die in diesen Geschichten immer präsent schien. Der Monomythos. Jeder Held dieser Mythen schien auf seinem Weg verschiedene Stationen durchzumachen, die vielleicht unterschiedlich beschrieben und gestaltet waren, im Kern aber dieselbe Funktion hatten. Deshalb nannte Campbell sein Buch auch The Hero with a thousand Faces.

Wenn die selben Elemente in verschiedenen Kulturen und Zeiten auftauchen, dann scheinen diese Geschichten etwas zu sein, dass der Psyche des Menschen entstammt, so die These. Etwas in uns scheint damit zu resonieren. Der Held ist viel weniger eine Figur, als vielmehr eine Funktion.

Ein paar Jahrzehnte später schrieb Christopher Vogler seinen berühmten Schreibratgeber The Writer’s Journey, in denen er genau dieses Schema für die Verwendung in Hollywooddrehbüchern adaptierte. Bei Vogler sind die Begriffe etwas moderner, klarer und einfacher. Durch ihn wurde die Heldenreise einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Hollywood will schon seit jeher teure Flops unbedingt vermeiden, und sucht daher nach einem Patentrezept für Erfolg. Die Hero’s Journey ist zwar auch kein Allheilmittel, aber vielleicht wenigstens vorbeugende Medizin, eine Hilfestellung für die Autoren.

 

Der Aufbau des Schemas

Wie sieht dieses Schema nun aus?

Als Kern lassen sich zunächst mal grob drei Phasen festhalten: Der Held kommt von seiner gewöhnlichen Welt (1) in eine für ihn ungewöhnliche Welt. Dort besteht er Prüfungen, lernt und wächst (2). Am Ende dieser Veränderung verlässt er die ungewöhnliche Welt wieder (3).

Was ist die ungewöhnliche Welt? (Oder Gegenwelt, wie auch immer man sie nennen mag) – Wichtig ist, dass sie sich deutlich von der gewöhnlichen Welt unterscheidet. Sie muss keine Welt im Sinn von Land oder Kontinent sein, sie kann auch eine andere soziale Umgebung, eine neue (Sub)kultur, stark veränderte körperliche Umstände (wie Krankheit), usw. bedeuten.

Ob man, wenn man ins Detail geht, daraus dann wie Campbell 17 Phasen, oder wie Vogler 12 Phasen macht, das ist weniger wichtig. Denn es gilt sowieso, dass die einzelnen Phasen sehr flexibel sind. Sie können in ihrer Reihenfolge zum Beispiel umgestellt werden. In manchen Geschichten tauchen manche Phasen auch gar nicht erst auf. Oder sie können nur wenige Augenblicke kurz sein, und natürlich auch andersherum sehr lang.
Müssen sie immer erfolgreich und positiv enden? Nein, unser Held kann natürlich auch scheitern und tragisch enden.

Generell gilt, dass bei der Ausgestaltung fast alle Freiheiten möglich sind, solange die grundlegende Funktion erfüllt ist. Variation ist sogar sehr gut, denn ansonsten wird die Geschichte sehr schnell zu platt, sie erfüllt sämtliche tausendfach bekannten Klischees und das Publikum langweilt sich zu Tode.

Wenn man sich an Christopher Vogler nennt, dann sind das hier die 12 Phasen der Heldenreise:

Phase 1Phase 2Phase 3

1 Die alltägliche Welt
2 Der Ruf zum Abenteuer
3 Ablehnen des Rufs
4 Treffen mit dem Mentor
5 Überschreiten der ersten Schwelle

6 Tests, Gefährten, Feinde
7 Annäherung an die innerste Höhle
8 Die Prüfung
9 Der Preis

10 Der Weg zurück
11 Wiederauferstehung
12 Rückkehr mit dem Elixier

In meiner Beitragsreihe zur Heldenreise habe ich zu jedem dieser Abschnitte einen eigenen Post geschrieben.

 

Was macht hier eigentlich den Helden aus?

Wie ich oben schon gesagt habe, haben wir es weniger mit einer Figur, als viel eher mit einer Funktion zu tun, wenn wir im Kontext der Heldenreise von „Held“ sprechen: Der Archetyp des Helden.

Der (erfolgreiche) Held ist etwas bewundernswertes. Er ist unsere erzählerische Annäherung daran, was bzw. wie die ideale Person ist und wie sie handelt.

Held ist – surprise – wer die Heldenreise durchmacht und diesen Prozess der Veränderung auf sich nimmt. Der Held ist derjenige, der im Angesicht des Unbekannten selbst die Verantwortung für sein Schicksal übernimmt, und versucht, es hin zum Guten zu lenken, statt sich in es zu ergeben. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Held ein Ziel hat, etwas, das er erreichen will.

Der Held hat tausend Gesichter. Er muss kein bis an die Nasenflügel bewaffneter Krieger sein. Ich bleibe hier bei dieser nur grundlegenden und sehr kurzen Beschreibung. Ich will in Zukunft aber noch einen detaillierteren Beitrag zum Thema Held schreiben.

 

Ich bin mir sicher, dass ich im Lauf der Zeit noch mehrere Beiträge zur Heldenreise schreiben werde, denn ich finde es faszinierend, in wie vielen Bereichen sich dieses Schema finden lässt, im „real life“, so wie in der Fiktion.
Warum ist das so, dass es so weit verbreitet ist, und so gut funktioniert? Dazu ist es mit vielen anderen spannenden Themen verbunden. Vor allem (Hollywood-)Filme sehe ich mit anderen Augen, seit ich die Heldenreise kenne.

Wie sieht es bei euch aus? Kennt ihr das Schema bereits? Seht ihr Geschichten nun mit anderen Augen? Schreibt mir, was ihr davon haltet.

 

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